Die Fälle von Harvey Weinstein oder Bill Cosby in den USA haben gezeigt, dass niemand zu groß ist, als dass ihm der Vorwurf, sich sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht zu haben, nicht das Genick brechen könnte. Wir begrüßen diese Entwicklung ausdrücklich, weil damit eine Mechanismus geschaffen ist, der die Zahl sexueller Übergriffe dadurch reduziert, dass er potenziellen Tätern die Konsequenzen ihres Handelns vor Augen führt. Die Botschaft- keiner ist vor diesen Konsequenzen sicher, ist, zusammen mit einer harten Strafverfolgung, der beste präventive Schutz. Dass Opfer sexueller Übergriffe trotzdem manchmal gar nicht oder erst sehr spät den Mut aufbringen, sich Täter und Tat mit allen Konsequenzen zu stellen, lässt erahnen, welche inneren Konflikte Betroffene von sexualisierter Gewalt durchleben müssen. Viel zu häufig wird vergessen, dass es sich dabei um einen Akt von Gewalt handelt, der für Betroffene immer ein schweres Trauma und häufig leider auch den Verlust von jeglicher Form von Selbstachtung bedeutet. Nicht selten führt dies so weit, dass Vergewaltigungsopfer die Schuld für das, was ihnen passiert ist, bei sich selbst suchen. Die Konsequenz ist, dass viele Täter sich nie für ihre Tat verantworten müssen und entsprechend auch nicht darüber nachdenken, ihr Verhalten zu reflektieren und zu verändern. Dies kann erst unter Androhung einer Konsequenz erfolgen, die zum Umdenken zwingt.
Egal wie abartig der Vorwurf ist, über den wir hier sprechen. Er darf nicht dazu führen, dass das Rechtsstaatsprinzip – jeder ist unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist – ausgehebelt oder sogar für persönliche Belange missbraucht wird. Der Fall Nika Irani, die dem Rapper Samra aus gekränktem Stolz heraus vorwarf, sich sexuell an ihr vergangen zu haben, unterstreicht dies.
Die Vorwürfe, denen sich Tim Westwood nun ausgesetzt sieht, wiegen ungleich schwerer. Zwar handelt es sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt „nur“ um Anschuldigungen, deren Wahrheitsgehalt noch ungeklärt ist. Die Tatsache, dass aber gleich sieben Frauen behaupten, die BBC-Radio Ikone hätte seine Machtposition ausgenutzt, um sich sexuell an ihnen zu vergehen, legt die Vermutung nahe, dass diese Anschuldigungen nicht alle gehaltlos sein können. Als Freunde von Grime, UK-Rap und -Drill, würden auch wir uns wünschen, jemanden wie Westwood nicht abschreiben zu müssen, der bereits sehr lange Teil unserer Universums ist. Sollten sich die Vorwürfe gegen ihn jedoch erhärten, werden wir keine Sekunde zögern, Tim Westwood abzuschreiben, da wir sexuelle Übergriffe jedweder Art verurteilen, diese weder aktiv noch passiv dulden und schon gar nicht unterstützen.
Der englische Radio-Host und Hiphop-Pionier DJ Tim Westwood sieht sich aktuell mit Vorwürfen des sexuellen Fehlverhaltens konfrontiert. Sieben Frauen haben sich nun gegenüber der BBC und dem Guardian geäußert und unterschiedliche Aussagen über Fehlverhalten des 64-Jährigen abgegeben.
Tim Westwood von mehreren Frauen des sexuellen Fehlverhaltens bezichtigt
DJ Tim Westwood dürfte den meisten Rapfans ein Begriff sein. 1994 moderierte er die erste landesweite Rap-Radioshow im UK. Nun veröffentlicht sein ehemaliger Arbeitgeber – die BBC – eine halbstündige Doku mit dem Namen Tim Westwood: Abuse of Power. In dieser kommen mehrere Frauen zu Wort, die Westwood sexuellen Missbrauch in unterschiedlicher Form vorwerfen. Die BBC hebt dabei hervor, dass es sich bei allen der Anklagenden um Schwarze Frauen handelt.
Die Vorfälle sollen zwischen 1992 und 2017 geschehen sein. Die Frauen hätten auf unterschiedliche Art und Weise den Weg in die Musikindustrie gesucht oder seien bereits Teil dieser gewesen. Westwood soll dabei seine Position im Business ausgenutzt haben, um Druck auszuüben und die Frauen zu sexuellen Handlungen bewegt haben.
Zwei Frauen werfen Tim Westwood vor, von ihm nach London eingeladen worden zu sein, um dort jeweils über ihre Musikkarriere zu sprechen. Allerdings habe er beide lediglich in eine Wohnung gefahren und dort "ungewollten" und "überraschenden" Sex mit ihnen gehabt. Westwood sei 53 beziehungsweise 43 Jahre alt gewesen, die Frauen waren demnach lediglich 19 und 20 Jahre alt.
Eine andere Frau wirft dem DJ vor, sie zu "ungewolltem" Oralsex genötigt zu haben. Das Mitglied einer R'n'B-Gruppe sei damals lediglich 17 Jahre alt gewesen.
Vier weitere Frauen wollen von Tim Westwood bei Events ungebührlich berührt worden sein. So soll er den Frauen beispielsweise bei Fotos an den Hintern gefasst haben, ohne dass sie dies wollten.
Tim Westwood bestreitet die Vorwürfe vehement. "Jede Andeutung, dass er auf die beschriebene Weise handelt oder gehandelt hat, wäre falsch und schwer verleumderisch," ließ sein Anwalt in einem Statement verlauten.
Tim Westwood nicht zum ersten Mal mit Vorwürfen konfrontiert
Bereits vor knapp zwei Jahren wurden Anschuldigungen gegen Tim Westwood laut, sich vor allem Schwarzen Frauen gegenüber unangemessen zu verhalten. Westwood dementierte die Vorwürfe damals in einem Statement gegenüber Daily Mail.
Er bezeichnete die Behauptungen damals als "falsch und haltlos".