Die Vergewaltigungsvorwürfe gegen den Berliner Rapper Samra haben eine Debatte über sexualisierte Gewalt im Deutschrap ausgelöst. Viele Betroffene wenden sich derzeit an die Initiative"Deutschrap Me Too" - und schildern öffentlich ihre Erlebnisse mit Rappern. #MeToo hat nun endgültig auch die deutsche Rap-Szene erreicht. Auslöser waren die Vergewaltigungsvorwürfe von Influencerin und Erotikmodel Nika Irani gegen den Berliner Rapper Samra. Er streitet die Vorwürfe bis heute ab. "Ich bin kein Vergewaltiger, ich habe noch nie jemanden vergewaltigt, ich verabscheue Menschen, die so etwas tun“, teilte Samra Mitte Juni auf Instagram mit. Er habe juristische Schritte eingeleitet, um sich zu wehren.
Die Vorwürfe sind nicht bewiesen, doch die Debatte ist längst ins Rollen gekommen. In sozialen Medien schildern derzeit viele Frauen von ihren Erlebnissen sexualisierter Gewalt durch deutsche Rapper. Hasan Gökkaya hat für rbb24 mit den Initiatoren der Deutschrap Me Too-Kampagne gesprochen. Wir haben uns, mit Blick auf das Interview, einmal mit Fragen um die Notwendigkeit der Initiative beschäftigt und warum diese zwischen Deutschrap und anderen Rahmen für sexuelle Übergriffe an jungen Frauen differenziert. Ist es weniger schlimm, wenn eine junge Frau auf einem Rapkonzert oder auf einem Opernball belästigt wird? Warum zielt eine Kampagne darauf ab, die Gesamtheit der Betroffenen in Gruppen nach dem Rahmen der Tat aufzusplitten? Wäre es nicht sinnvoller Betroffene und Kapazitäten zu bündeln und darüber mehr Aufmerksamkeit für ein so wichtiges Thema zu erzeugen als dieses teillabeln? Braucht es diese Initiative, um eine echte Verbesserung für Betroffene zu erreichen?
In Deutschland gibt es eine Vielzahl an staatlichen und zivilgesellschaftlichen Stellen und Initiativen, die sich bereits sehr erfolgreich gegen sexualisierte Gewalt engagieren. Ein sexueller Übergriff – egal in welchem Rahmen dieser erfolgt – beschreibt einen Straftatbestand, der in der Zuständigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaft liegt. Der Bundestag hat im März diesen Jahres das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder auf den Weg gebracht, das bestehende Strafen erheblich verschärft und Strafverfolgungsmöglichkeiten gestärkt hat. Die Initiatoren geben im Interview mit rbb24 an, dass die Mehrzahl der Betroffenen im jungen Teenageralter ist. Die Gesetzesänderungen aus dem Frühjahr müssten daher gerade dieser Betroffenengruppe zugute kommen und Strafverschärfungungen im Idealfall dazu führen, dass darüber hinaus eine abschreckende Wirkung erreicht wird und damit Übergriffe präventiv verhindert. Das Theorie und Praxis in meisten Fällen nicht deckungsgleich sind und auf wichtige Themen nie genug aufmerksam gemacht werden kann, ist auch uns bewusst. Das Engagement gegen gesellschaftliche Missstände, ist insofern löblich an sich und wir begrüßen dieses ausdrücklich. Trotzdem bleibt man gut beraten auch - oder gerade bei Kampagnen, die über die moralische Einflugschneise kommen - nicht die Cui Bono-Frage (wer profitiert) außer acht zu lassen. Welchen Mehrwert schafft eine Deutschrap Me Too-kampagne, wenn bereits andere erfolgreicher für das Thema sensibilisieren, Opfern besser bei der Aufarbeitung des Geschehenen helfen und nachhaltigere Stafverfolgungs- Präventionsarbeit leisten? Befördert diese nicht vielmehr eine Parallestruktur, die im schlimmsten Fall dazu führt, dass sich noch weniger Frauen nachÜbergriffen Stellen anvertrauen, die aktiv gegen Täter vorgehen können und stattdessen ihre Erlebnisse als anonymisierten Content auf den DMT-Instakanal stellen lassen?
DMT gibt im Interview an, dass zwar natürlich auch hier für mutmaßliche Täter die Unschuldsvermutung gelte, aber im selben Atemzug auch, dass man sich vorbehalte, die Namen der Beschuldigten zu veröffentlichen. Und genau hier wird es kritisch: Wie kann man sich das in der Praxis vorstellen? Stellt DMT eigene Ermittlungen an, um Tatvorwürfe zu erhärten oder auszuräumen? Wohl kaum. Vielmehr wird hier eine Androhung einer Rufschädigung ins Spiel gebracht und das ohne jegliches Fundament. Dabei nimmt man billigend in Kauf, einem jungen Rapper – der nunmal von seiner Reputation lebt – diese Lebensgrundlage auf Basis einer Vermutung zu entziehen. Das Beispiel um die Verwaltigungsvorwürfe gegen den Rapper Samra durch Nika Irani, ist hier naheliegend. Nicht nur weil dieser Fall erst den Anlass für die Deutschrap-Me Too-Initiative geschaffen hat, obwohl von Anfang an im Raume stand, dass es sich hier um falsche Vorwürfe handeln könnte, wie sich mittlerweile abzeichnet. So hat das Landgericht Köln Nika Irani bereits Mitte Juli verboten, Samra weiter der Vergewaltigung zu bezichtigen, da es sich bei den Äußerungen, „ .. um unwahre Tatsachenbehauptungen mit unwahrem Tatkern handelt“,wie der Richter im Beschluss erklärt. Zwischenzeitlich wurden mehrere Videos von Nika Irani geleakt, in denen sie einräumt, dass es sich bei dem Tatvorwurf um einen Racheakt handele, weil sie sich verschmäht gefühlt habe. Eine Distanzierung von DMT zu Irani hat bis dato, unseres Wissens nach, nicht stattgefunden. DMT selbst scheint damit auf sehr wackligem Fundament zu stehen, wenn die Initiative nicht nur auf einer Falschbehauptung fusst, sondern Gefahr läuft, sich als Verstärker für Falschbehauptungen einspannen zu lassen.
Wir bleiben nach der Auseinandersetzung mit DMT daher mit Frage zurück, ob es hier wirklich um Aufmerksamkeit für die Betroffenen geht, oder ob das Rantalmoos-Kollektiv, das die hinter DMT steht, diese eher für sich selbst mobilisieren möchte. Das sammeln von Druckmittel erscheint uns jetzt nicht unbedingt als vertrauenserweckend.