Wenn Rechtsanwälte auf die Barrikaden gehen und versuchen die Berichterstattung zu Gunsten ihres Mandanten zu wenden, bedeutet das meist, dass die Luft vor Gericht dünner wird. Ursache ist ein Mitschnitt des finalen Gespräches zwischen Busido und den Abou-Chaker Brüdern, die die Polizei auf dem Handy von Arafat Abou-Chaker gesichert hat. Warum dieses Gespräch so wichtig ist? Die komplette Anklage setzt darauf auf. Die Aufnahme stellt die Behauptungen von Bushido infrage, da darauf keinerlei Bedrohungen, Handgreiflichkeiten oder Erpressungsversuche dokumentiert sind. Bushido´s Anwalt Tzschoppe Bemühungen konzentrieren sich daher aktuell darauf, Zweifel an diesem wichtigen Beweisstück zu streuen und darüber die Glaubwürdigkeit seines Mandanten wieder herzustellen. Ein schwieriges Unterfangen – da Bushido selbst sich mittlerweile verschiedensten Tatvorwürfen und Ermittlungen ausgesetzt sieht, die allesamt darauf hindeuten, dass sein Wort keinen Pfifferling wert ist.
Steffen Tzschoppe ist sauer. Das sollen ruhig alle mitbekommen. Auch die Medienvertreter. Der Anwalt von Bushido hadert mit den Vorkommnissen der letzten zwei Wochen. Im Mittelpunkt steht eine geheime Tonaufnahme, über die zuerst der "stern" berichtete und die belegen soll, dass Bushido über die mutmaßlichen Straftaten gegen ihn am 18.1.2018 die Unwahrheit gesagt haben soll.
Aus dem heimlich aufgenommenen Mitschnitt des besagten Gesprächs gehe nicht hervor, dass Bushido von seinem ehemaligen Manager Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder bedroht, beschimpft, eingesperrt und verletzt worden sei, heißt es im "stern". Damit wäre die Anklageschrift widerlegt.
Am letzten Verhandlungstag vor knapp zwei Wochen bestätigte der Vorsitzende Richter Martin Mrosk, dass die Tonaufnahme nun auch dem Gericht vorliege. Als Bushidos Anwalt Steffen Tzschoppe dazu eine Stellungnahme verlesen wollte, musste die Verhandlung jedoch unterbrochen werden, aufgrund gesundheitlicher Probleme einer Schöffin.
Darum geht es im Prozess
Laut Anklage soll es zu Straftaten gekommen sein, nachdem Bushido 2017 die geschäftlichen Beziehungen auflösen wollte. Abou-Chaker habe dies nicht akzeptieren wollen und von Bushido eine Millionen-Zahlung sowie die Beteiligung an dessen Musikgeschäften für 15 Jahre gefordert, heißt es in der Anklageschrift. Der Rapper sei bedroht, beschimpft, eingesperrt und verletzt worden. Die Brüder im Alter von 39, 42 und 49 Jahren sind als Gehilfen oder Mittäter angeklagt.
Nun, am Montag, wurde der Prozess fortgesetzt und schnell wurden drei Dinge klar: So eindeutig wie im "stern" beschrieben ist die Audiodatei womöglich gar nicht, ihre Überprüfung wird einige Zeit und Mühe kosten und Bushido muss wohl nochmal als Zeuge aussagen.
Zunächst bekam Rechtsanwalt Tzschoppe nochmals die Möglichkeit für eine Stellungnahme. Diesmal allerdings mit einer Prise mehr Pathos und einem Informationsvorsprung. Denn Tzschoppe hatte sich die Aufnahme inzwischen gemeinsam mit Bushido angehört. Ursprünglich sollte die Stellungnahme nur die Fragen klären, ob ein Sachverständiger die Audiodatei untersuchen und auf Echtheit prüfen soll.
Die Datei "verfälscht, der Artikel: "Eine Rufmordkampagne"
Jetzt nutze Tzschoppe die Gelegenheit, um inhaltlich auf die Tonaufnahme einzugehen und die Arbeitsweise des "stern" zu kritisieren. Er sprach von einer "verfälschten Datei", die von den Journalisten offenbar "inhaltlich nicht überprüft" worden sei. "Es fehlen offensichtlich Passagen" polterte er, ohne Beweise dafür zu nennen. Den Artikel bezeichnete er als "Rufmord-Kampagne" gegen Bushido, seinen Mandanten.
Den im Raum anwesenden "stern"-Journalisten beschuldigt er, eine Person auf der Aufnahme falsch identifiziert zu haben. Auch hier ohne Beweise. Die zeitliche Abfolge des Gesprächs ergebe zudem an verschiedenen Punkten keinen Sinn, erklärt er mit Verweis auf Bushidos WhatsApp-Verlauf, der einen anderen Zeitzusammenhang beweisen soll.
Der "stern" hatte sich in seiner Recherche auf Metadaten in der Audiodatei berufen, die Ort, Datum und Uhrzeit enthalten und belegen sollen, dass es sich bei der Aufnahme tatsächlich um besagtes Gespräch am 18.1.2018 handle. Der Zeitstempel passe laut dem Magazin jedoch nicht zu Bushidos Aussage, wonach das Gespräch vier Stunden dauerte. Die Aufnahme gehe nur knapp zwei Stunden. Ein vom "stern" beauftragter Forensiker habe keine Hinweise dafür gefunden, "dass hier etwas herausgenommen oder hinzugefügt wurde."
"Wenn ich es fälschen würde, dann so"
Rechtsanwalt Tzschoppe über die Möglichkeit, die Audiodatei könnte manipuliert sein.
Genau daran knüpft Rechtsanwalt Tzschoppe nun an. Aus der Datei, die ihm vorlege, lasse sich keineswegs der Ort ablesen. Außerdem kritisiert er, dass ihm nicht die Originaldatei übergeben wurde. Die ursprüngliche Handy-Datei sei im m4a-Format während die Datei, die dem Gericht vorliege, eine mp3-Datei sei und zudem eine Sekunde länger dauert als im Original. Die Datei muss also kopiert oder überspielt worden sein, was laut Tzschoppe Möglichkeit zur Fälschung gibt. "Wenn ich es fälschen würde, dann so", argumentiert er.
Medien-Schlacht um Deutungshoheit – Bushido soll nochmal aussagen
Die Intervention der Anwälte der Abou-Chakers dauert nicht lange. Tzschoppe nehme die Beweisaufnahme vorweg, das sei unzulässig, heißt es. Außerdem solle er keine Presseerklärung verlesen und die Arbeit des "stern" nicht bewerten. Seine Stellungnahme sei nur eine "unendliche Aneinanderreihung von Konjunktiven", raunt Hansgeorg Birkhoff, der Verteidiger von Arafat Abou-Chaker, genervt.
Tatsächlich werden im "stern"-Artikel wichtige Fragen nicht thematisiert. Zum Beispiel warum die Datei erst jetzt, eineinhalb Jahre nach Prozessbeginn auftaucht. Stattdessen scheint das Urteil für die Autoren bereits festzustehen: Arafat Abou Chaker ist unschuldig. So suggeriert es der Text.
Wichtiges Detail wird in "stern"-Artikel nicht erwähnt
Zudem erschien am Montag wenige Stunden vor Beginn des Prozesstages ein weiterer Artikel, der die Erzählung des "stern" zumindest teilweise anzweifelt. Offenbar liegt auch "Business Insider" die Tonaufnahme vor. Die Nachrichtenseite des Axel-Springer-Verlags berichtet, dass gegen Ende der Aufnahme der Aufzeichner den Raum verlässt und zwölf Minuten lang nicht zu hören ist, was in dem Raum vor sich geht. Im "stern"-Artikel findet dieser Umstand keine Erwähnung.
Doch Rechtsanwalt Birkhoff traut dem Artikel nicht. Er kritisiert, dass "schon wieder ein Beweismittel den Kreis der Prozessbeteiligten verlassen hat" und dann auch noch von einem Springer-Medium veröffentlicht wurde, dass laut Birkhoff "Herrn Ferchichi (Anm. d. Red.: Bushidos bürgerliche Name) wohlgesonnen ist." Sein Verdacht: Die Datei wurde aus den Reihen der Nebenklage an "Business Insider" durchgestochen. Als Indiz für die These nennt Birkhoff die gute Beziehung von Bushido zum "Bild"-Journalisten Peter Rossberg, den Bushido als engen Freund bezeichnet und der die Amazon-Serie "Unzensiert – Bushidos Wahrheit" mitproduziert hat.
Wie nützlich die Audiodatei wirklich ist und ob sie tatsächlich das Potential hat, die Verhandlungen zum Platzen zu bringen, wird sich zeigen. Was jetzt schon feststeht: Der ewig andauernde Prozess ist zu einer Medienschlacht um Deutungshoheit ausgeufert, der viel inszeniert, aber wenig aufklärt.
Nach einem hitzigen Prozesstag verkündet Richter Mrosk schließlich, das Tondokument verschriftlichen und von einem Sachverständigen auf Authentizität überprüfen zu lassen. Außerdem soll dann Bushido nochmal als Zeuge aussagen, um mit dem Gericht die Aufnahme durchzugehen und offene Fragen zu klären. Doch bis dahin kann es noch dauern. Vielleicht Monate. Der nächste Termin ist erstmal für Mittwoch angesetzt.