Die Rapikone sieht im Vorgehen der Staatsanwaltschaften eine Aushöhlung der Meinungsfreiheit. Einige US-Senatoren und bekannte Künstler sehen das ebenso und machen sich zusammen mit Jay für eine Gesetzesänderung stark, die Behörden untersagen soll, Raptexte als Beweismittel gegen Künstler zu verwenden.
Vorhaben findet breite Zustimmung
Jay-Z, Meek Mill, Kelly Rowland und Killer Mike gehören zu den Star-Namen, die für eine Änderung des New Yorker Gesetzes plädieren, die verhindern würde, dass Rap-Texte als Beweismittel in Strafverfahren verwendet werden. Die Musiker haben, gemeinsam mit Fat Joe, Yo Gotti, Robin Thicke und anderen, einen Brief unterzeichnet, in dem sie die Gesetzgeber im Bundesstaat New York dazu auffordern, die vorgeschlagene Änderung zu unterstützen und die Meinungsfreiheit zu wahren.
Das Gesetzesvorhaben mit dem Titel „Rap Music on Trial“ wurde erstmals im November von den Senatoren der Bundesstaaten Brad Hoylman und Jamaal Bailey vorgeschlagen, um Staatsanwälte künftig daran zu hindern, Texte zu zitieren, es sei denn, es gebe „eindeutige und überzeugende Beweise“ für eine Verbindung zwischen Texten und einem Verbrechen.
Der Hintergrund
Als besonders problematisch sehen die Politiker und Künstler, dass diese Rechtspraxis die Meinungsfreiheit aushöhle. Senator Bailey erklärte im November dazu: „Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in unseren Bundes- und Landesverfassungen verankert. Die Zulassung von Kunst als strafrechtliches Beweismittel dient nur dazu, dieses Grundrecht zu untergraben, und insbesondere die Verwendung von Rap- und Hip-Hop-Texten ist ein Symbol für den systematischen Rassismus, der unser Strafjustizsystem durchdringt.“ Das Gesetz wurde Anfang dieser Woche in einer ersten Phase vom Staatssenat verabschiedet.
Alex Spiro, Jay-Z`s Anwalt, erklärte im Gespräch mit Rolling Stone: „Indem Sie das Gesetz hier ändern, erreichen Sie viel Gutes in betroffenen Fälle, aber Sie senden auch ein wichtiges Signal. Wir erwarten, dass viele diesem Beispiel folgen.“
Die aktuelle Praxis in den USA und UK
Im Jahr 2019 sagten Staatsanwälte in einem Fall mit Rapper Tekashi 6ix9ine, sie beabsichtigen, Texte und Musik als Beweismittel aufzunehmen, die „Kontext (zu verhandelten Straftaten) liefern“ und „bestimmte Streitigkeiten (unter den Angeklagten) betreffen“. Der Rapper wurde vor Gericht auch zu Texten seines Hits „Gummo befragt“.
Während des Mordprozesses gegen den verstorbenen Rapper Drakeo the Ruler, der 2019 freigesprochen wurde, fügten die Staatsanwälte während des Verfahrens Texte aus seinem Track Flex Freestyle hinzu, um seine Schuld zu unterstreichen. Der Rapper Tay-K hatte 2017 einen US-Hit mit „The Race“, bevor er wegen Mordes verurteilt wurde – und sowohl das Lied als auch das dazugehörige Video wurden von Staatsanwälten während seines Prozesses verwendet.
Die Praxis wird auch in Großbritannien angewendet. Staatsanwälte in einem Mordfall gegen den Drill-Rapper Unknown T versuchten, seine Texte als Beweismittel vorzulegen, obwohl dies von einem Richter bereits als unzulässig bewertet worden war. Der Rapper wurde in 2020 freigesprochen. Drill-Rapper Digga D, der bereits neun Top-40-Hits hatte, wurde in 2018 durch eine gerichtliche Anordnung untersagt, bestimmte Namen, Orte und Themen in seinen Texten zu verwenden.
In einer Studie über 30 Berufungsurteile zwischen 2005 und 2020 stellte die Rechtsprofessorin der London School of Economics, Abenaa Owusu-Bempah, fest, dass „Staatsanwälte Texte und Videos verwenden, um eine Geschichte über gefährliche Rapper zu erzählen, die im Wesentlichen nur langjährige Stereotypen über schwarze Männer als Kriminelle bedienen“. Sie sagte, dass „Rap-Musik normalerweise vor Gericht als Beweis schlechten Charakters präsentiert werde und um Angeklagte als schuldig zu brandmarken“, aber auch häufig als direkter Beweis für Straftaten verwendet worden sei.
Texte als Beweismittel sind aktuell in Deutschland noch kein großes Thema, da hier Textinhalte und Realitäten eher weiter auseinanderliegen, als in den USA oder England. Auch wenn deutsche Rapper strafrechtlich eher unbehelligt bleiben, müssen sie sich nicht selten vor Journalisten und Aktivisten für ihre Textinhalte rechtfertigen. Kritiker haben meist wenig bis gar keine Verbindung zu Rap und können daher häufig nicht zwischen Aussagen von Kunstfiguren und echten Statements unterscheiden. Ihre Kritik läuft daher meist ins Leere, da sie auf etwas abzielt, dass es faktisch nicht gibt. Bleibt zu hoffen, dass wir mit dem Import amerikanischer und englischer Trends, nicht auch deren Rechtspraxis übernehmen.