In den vergangenen Tagen war es verdächtig ruhig um den exzentrischsten Rapper im Game geworden. Keine Ausraster, keine weltfremden Ankündigungen oder Beziehungsdramen. Scheinbar hat die Arbeit an „Donda 2“ Ye´s Aufmerksamkeit in den vergangen Wochen komplett gebunden. Gestern sollte die von Fans mit Spannung erwartete Premiere in Form der „Donda Expirience Performance“ in Miami erfolgen, die via Livestream übertragen werden sollte. So war es zumindest geplant.
Kunst vs. Technik
Endlich wieder Schlagzeilen zu Kanye West: In typischer Manier hatte der Rapper den Release seines neuen Albums "Donda 2" für den 22.02.2022 angekündigt. Allerdings nicht auf den bekannten Streamingdiensten, sondern nur bei Kanye´s eigenem Musikportal Stem Player: Der Zugang kostete schlappe 200 US-Dollar.
Der Release war für gestern um Mitternacht angesetzt. Als es soweit ist, warten die Fans aber vergeblich. Kein "Donda 2" auf dem Stem Player. Dann wenigstens das angekündigte Listening-Event live in Miami miterleben? Ja, gleichwohl mit dezenter Verspätung: Zweieinhalb Stunden passiert erst mal gar nichts.
Schließlich startete der Stream auf Kanye´s YouTube-Kanal "Donda Experience Performance" endlich. Und wie. Eine aufwändig gestaltete, düstere Bühne, eine finstere Kapelle, die anfangs in Flammen aufgeht, Nebel, Rauch, krasse Choreos und ein halber künstlicher Sumpf, in dem performt wird – Bühnenbild: top. Auch musikalisch sind ein paar Highlights dabei. Die erste Stimme, die am Abend zu hören ist, ist nicht die Kanyes, sondern ein Playback des 2018 verstorbenen Rappers XXXTentacion. Er ist auf gleich zweimal auf „Donda 2“ vertreten.
Top-Stars auf der Bühne
Es folgen Live Performances von Top-Stars wie den Migos, ein überraschender Drill-Beat und eine Kanye-Version von Pusha T`s „Diet Coke“, die Anfang Februar releast wurde. In "Louis Bags", einem der neuen Songs, zollt Kanye dem vergangenes Jahr verstorbenen guten Freund Virgil Abloh Respekt – Louis Vuitton-Modedesigner und Creative Director von Kanyes Kreativunternehmen Donda. Als Feature auf dem Track: Jack Harlow, aktueller Rap-Superstar und gestern ebenfalls live auf der Bühne.
Auch sonst ist der Event bis dahin genau so, wie man ihn erwarten konnte. Kanye im schwarzen Lederoutfit, viel Show, eine starke Inszenierung. Und natürlich mit ein paar Spitzen, unter anderem gegen Comedian Pete Davidson, mit dem Kanye seit einiger Zeit beeft. Oder das eingespielte Sample von Ex-Frau Kim Kardashian, in dem sie sagt: "I married the best rapper of all time. Not only that, he's the richest black man in america. A talented, legit genius who gave me four incredible kids". Typisch Kanye eben.
Verwirrung bei Kanye - und Marilyn Manson
Einziges Manko: Die schwache Soundqualität. Zwischendurch fällt Kanyes Mikro aus, er bekommt ein neues in die Hand gedrückt, Ton trotzdem beschissen. Nach knapp einer Stunde wird es dann richtig wild. Überraschend werden Songs von Kanyes letztem Album "Donda" gespielt und auch Marilyn Manson taucht zum Intro von "Jail" auf der Bühne auf: Kanye beginnt zu rappen, plötzlich wird Mansons Playback-Stimme eingespielt. Kanye reagiert sichtlich überrascht, schaut kurz zu Manson, lacht, rappt aber weiter - und wird wieder von Mansons eingespielter Stimme unterbrochen. Der scheint auch nicht zu verstehen, was gerade passiert.
Genervt schmeißt Kanye sein Mikro weg. Der Aufprall des Mikros klingt lauter als alles andere. Dann hört man ein Playback von Rapper DaBaby auf den Beat von "Jail" – leider aber komplett Offbeat. Die Soundqualität? Komplette Katastrophe. Guess who's going to jail tonight? Kanyes Soundcrew hätte es wohl verdient.
Rettung naht
Die nächsten Minuten sträunert Kanye ohne Mikro auf der Bühne herum. Man hört nur Instrumentals, sitzt vor dem Bildschirm und wundert sich: Warum gibt keiner dem armen Mann ein neues Mikro? Nachdem ein paar Minuten "Praise God" instrumental setzt sich Kanye beleidigt auf die Treppe seiner Kapelle.
Doch Rettung naht: Alicia Keys taucht auf, spielt wunderschön Klavier und singt gewohnt brillant den neuen Song "City Of Gods", mit Live-Gast Fivio Foreign und ohne Kanye. Doch noch ist die Sache nicht in trockenen Tüchern: Die Krone setzt dem Ganzen Playboi Carti auf. Der performt "Off Grid", rappt aber, während eine andere Stimme im Playback läuft, komplett und viel zu leise neben dem Beat. Im YouTube-Livestream auf Kanyes Kanal fragt ein Zuschauer folgerichtig: "Can my ears unbleed?"?
Und Kanye selbst? Ist nicht mehr zu hören, er scheint die Sache auch ein bisschen mit Humor zu nehmen. Ein paar Minuten später ist die Katastrophe Gott sei Dank eh zu Ende und der Hauptprotagonist in Richtung Backstage verschwunden.
Ye wird unfreiwillig zur Lachnummer
Auch wenn die Inszenierung wie immer unterhaltsam war, scheinen viele der Fans enttäuscht und machten ihrem Unmut in den Sozialen Medien Luft. Bei so einem hohen Preis, sollte man auch eine halbwegs professionelle Show erwarten dürfen. Bei aller Dekadenz, scheint Ye aber ausgerechnet an den Soundingeneuren, mit denen eine Musikpremiere nunmal steht und fällt, gespart zu haben. Bereits kurz nach der Show grassierten bereits Meme´s, die den selbsterklärten besten Musiker aller Zeiten wohl kaum amüsieren dürften.