Scheinbar ist – zumindest rudimentär – noch so etwas wie Stolz in Oliver Pocher übrig. Nachdem er die vergangenen Tage nutzte, um sich in Selbstmitleid zu suhlen und befürchtete, als Spätfolge der Backpfeife bleibende Schäden zurückzubehalten, geht er heute zum Angriff über. Gegen das gesamte Rapgame, welches er als „widerlich und menschenverachtet“ bezeichnet und international auf Pennie-Niveau verortet. Auch wenn das in Teilen sogar stimmen mag, so wird dies schnell vom offensichtlichen Widerspruch überstrahlt, dass die Eigenschaften, die er versucht Deutschrap anzudichten, mehr sein Standing beim Publikum widerspiegeln als die Gesamtheit der Künstler in einem Musikgenre zu beschreiben. Es ist offensichtlich, dass Pocher´s Aussagen weniger auf einer fundierten Analyse des Rapgames fußen, als vielmehr auf gekränkter Eitelkeit. Woher der klägliche Versuch nun kommt, sich nach vier Tagen Traumabewältigung nun Eier wachsen zu lassen und gegen Leute zu schießen, deren Beruf es ist gegen Leute zu schießen, ist auch uns ein Rätsel. In jedem Fall aber eine schlechte Idee. Vielleicht möchte er seiner Frau Amira damit etwas beweisen, vielleicht seine „Ehre“ bei seinen „Fans“ retten. Wir bezweifeln, dass es da noch viel zu retten gibt.
Oliver Pocher sucht sich niemand aus. Er wird uns von TV-Sendern aufgezwungen. Und selbst die Redaktionen dieser Formate, die – genauso wie Deutsche Comedy – im internationalen Vergleich selbst Pennie-Niveau unterschreiten, haben mittlerweile verstanden, dass selbst ihre halb-mumifizierte Zuschauer keinen Bock auf Pocher haben und buchen ihn immer weniger. Paradoxerweise sind die Eigenschaften „widerlich“ und „menschenverachtend“ auch die Gründe, die Fat Comedy für die Backpfeife am Wochenende anführt. Prinzipiell sehen wir es natürlich nicht als Ehren-Move an, sich physisch an jemandem zu vergreifen, der nicht in der Lage ist, sich zu verteidigen. In Pocher´s Fall, dessen gesamte Existenz darauf aufbaut, unterhalb der Gürtellinie zu operieren und Leute vorzuführen, die dem meist wehrlos ausgesetzt sind, sehen wir aber eher die Karma-Regel erfüllt als schreiende Ungerechtigkeit.
Abgesehen von der „Emotional Damage“, ist ja schließlich auch niemand ernsthaft verletzt worden. Ironischerweise müsste er Fat Comedy für die Aufmerksamkeit, die er nun durch diesen Vorfall hat, sogar danken. Viele der User, die den Vorfall im Netz kommentierten, erklären niemals zuvor so herzlich über Pocher gelacht zu haben. Als Comedian zielt er ja genau darauf ab. Dass der Applaus in Teilen in seinem Gesicht stattfand, wird er überleben.
Nachdem ein Influencer am Samstag bei einem Boxkampf in Dortmund Oliver Pocher geohrfeigt hatte, lobten zahlreiche Rapper den Übergriff. In einem Instagram-Video hat sich der Comedian nun zu dem Angriff gegen ihn geäußert und deutliche Kritik an der Szene geäußert: "Leute, die das jetzt beklatschen – gerade auch aus der Deutschrap- und Hip-Hop-Szene – die sind Mittäter." Doch auch generell sieht er ein Problem in dem Genre: "Die meisten Texte sind einfach nur widerlich, menschenverachtend, frauenverachtend."
Bereits das von Bozza und Schwesta Ewa bestrittene Rahmenprogramm des Felix-Sturm-Kampfs sei beklagenswert: "Deutschrap at its worst. Das ist einfach gar nichts." Er selbst sei vor einigen Wochen beim Super Bowl gewesen, wo "Legenden" wie Eminem und Dr. Dre aufgetreten sind. Letztgenannter sei durch den Verkauf seiner Kopfhörer an Apple Milliardär geworden. "Das einzige, was die mit Apple zu tun haben, ist vielleicht Apfelsaft – und den verkaufen sie beim Penny. Das ist ungefähr, wo Deutschrap für mich steht."
Die Szene kreiere Hypes um Rapper, deren Erfolge zumeist größer wirkten, als sie eigentlich seien. Vor allem Spotify toleriere "gekaufte Streams – meistens mit virtuellen Kreditkarten aus Holland" einfach. Als positives Gegenbeispiel für einen ehrbaren Musiker nennt er seinen Freund Pietro Lombardi.
Zu den von Pocher namentlich nicht genannten Rappern zählte etwa Azzi Memo, der die Tat als "Move des Jahres!" bezeichnete. Auch Samra, Ali471 und Manuellsen zeigten sich begeistert. Dagegen lehnte Schwesta Ewa den Übergriff ab: "Das war mit Absicht, um Klicks zu generieren." Jeder kenne zwar das Bedürfnis, Pocher "mal eine zu ziehen", erklärte Fler, "Finde ich aber nicht gut, sag' ich ganz im ernst."
Der Influencer und Hobbyrapper hatte seine Attacke gegen Oliver Pocher mit dessen "unschönem Charakter" begründet. Vor allem die Unterstützung des Comedians für das Model Nika Irani, die Rapper Samra der Vergewaltigung beschuldigt hatte, stieß ihm sauer auf. Sie habe versucht, seines "Bruders Leben zur Hölle zu machen".
Fehlende Zivilcourage und juristische Konsequenzen
In seinem Instagram-Video bemängelte Pocher auch die ausbleibenden Reaktionen der Sicherheitsleute und seiner Sitznachbarn, zu denen Christoph Daum und Claus Strunz gehört hatten: "Wir haben auch ganz gut gesehen, wie deutsche Zivilcourage funktioniert." Er erklärte zudem, bestimmte Frequenzbereiche nicht mehr hören zu können: "Wenn ich Pech habe, habe ich irreparable Schäden."
Den Angriff selbst bezeichnete er als arglistig: "Wir reden über ein Kapitalverbrechen." Gegen dieses werde er nun juristisch vorgehen. Er werde sich "von solchen Leuten nicht einschüchtern" lassen. Bereits am nächsten Tag sei er bei der Live-Tournee von Luke Mockridge aufgetreten. Pochers Unterstützung für den Komiker, dem im vergangenen Jahr selbst sexuelle Gewalt vorgeworfen worden war, bringt ihm wiederum Kritik in den sozialen Netzwerken ein – darunter von Rapper Ahzumjot.