Nach jahrelangen Verhandlungen im sexuellen Missbrauchsprozess gegen R&B Sänger R. Kelly ist nun endlich ein Urteil gefällt worden – Kelly wird zu 30 Jahre Haft verurteilt. Das teilte Richterin Ann Donnelly am Mittwoch (29.06.22) in einem New Yorker Gericht mit.
Eine Jury hatte den Musiker im vergangenen Jahr nach mehrwöchigem Prozess in allen neun Anklagepunkten - darunter sexuelle Ausbeutung Minderjähriger, Kidnapping und Bestechung - für schuldig befunden. Kelly, der mit schwarzer Brille, schwarzer Corona-Maske und khakifarbenem Oberteil am Gericht erschien, hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen.
R. Kelly ist mit einem Opfer verlobt
Besonders bizarr: Kelly soll mit einem seiner Opfer verlobt sein, wie erst kurz vor der Verkündung publik wurde. Seine angeblich zukünftige Ehefrau Joycelyn Savage (26) soll früher eine der Sex-Sklavinnen gewesen sein.
Savage soll laut dem Portal „AllHipHop“ der Richterin einen Brief geschrieben haben. Darin schwärmt sie von Kelly: „Meine Beziehung zu Robert ist unglaublich. Er ist das Beste, was mir je passiert ist. Wir haben eine ganz besondere Verbindung und sind tief verliebt. Ich unterstütze Robert bis heute, weil ich ihn liebe und immer hier sein werde, um ihn zu unterstützen.“
Ob die 26-Jährige von Kelly manipuliert wurde, wie ihre Eltern behaupten? Im Jahr 2019 jedenfalls sagte Savage, die den Sänger als 17-Jährige kennenlernte, noch gegen Kelly aus: „Er fing an, mir Befehle zu geben und stellte sicher, dass ich ihn mit bestimmten Namen anspreche. Ich musste ihn Daddy oder Master nennen.“
R. Kelly im Gerichtssaal: Opfer erzählen unter Tränen ihre Geschichten
Bevor Richterin Donnelly das Strafmaß verkündete, erzählten sieben Opfer von Kelly nacheinander und teilweise unter Tränen noch einmal ihre Geschichten. Teilweise schauten und sprachen ihn die Frauen dabei direkt an - doch Kelly starrte entweder geradeaus, auf die Notizen vor sich auf dem Tisch, oder unterhielt sich leise mit seinen Verteidigerinnen.
Der Musiker habe einen „Gotteskomplex“, habe „Millionen Menschen manipuliert“ und „jämmerliche, unerklärliche“ Taten begangen, sagte eine Frau. „Ich bin nicht hier wegen des Geldes und schon gar nicht für Hollywood“, sagte eine andere. „Ich bin hier, weil ich Gerechtigkeit suche.“
Opfer spricht zu R. Kelly: „Robert, du hast so viele Menschen zerstört“
Die Frauen berichteten erneut von dem sexuellen, physischen und mentalen Missbrauch, den sie durch Kelly erfuhren - teilweise, als sie noch minderjährig waren. „Robert, du hast so viele Menschen zerstört“, sagte eine Frau. „Du bist ein Missbrauchstäter, du bist schamlos, du bist ekelhaft und du bist selbstgerecht“, klagte eine andere Frau den Sänger an. Eine weitere sagte, es gehe ihr nicht um Kellys Reue, denn sie könne sehen, dass er keine zeige. Die Frauen berichteten auch, dass sie von Fans des Sängers, die ihnen nicht glaubten, im Internet angegriffen worden seien.
Die Staatsanwaltschaft hatte im Vorfeld mehr als 25 Jahre Haft und eine Geldstrafe zwischen 50.000 und 250.000 Dollar für den „I Believe I Can Fly“-Sänger gefordert, der bereits seit seiner Festnahme im Sommer 2019 im Gefängnis sitzt. Eine solche Strafe sei unter anderem wegen der Schwere seiner Verbrechen angemessen, außerdem gehe von Kelly nach wie vor eine Gefahr aus, hieß es.
R. Kellys Anwältin klagt: “Seine Musik wird nicht mehr gespielt“
Die Anwälte des Musikers hatten eine deutlich geringere Strafe gefordert. Vor der Verkündung des Strafmaßes gab es vor Gericht zudem erneut Diskussionen über die Vermögensverhältnisse des Musikers. Während die Staatsanwaltschaft behauptete, dass Kelly Millionen aus Rechteverkäufen zustünden, wies die Verteidigung des Musikers das zurück und gab an, er sei quasi bankrott. „Seine Musik wird nicht mehr gespielt“, sagte Anwältin Jennifer Bonjean. „Wir sehen es an seinen Tantiemen, seit dem Prozess sind die extrem zurückgegangen.“
Das Verfahren ist - nach Fällen wie denen von Filmproduzent Harvey Weinstein und Komiker Bill Cosby - eine weitere viel beachtete juristische Aufarbeitung der MeToo-Ära. Vertreter der MeToo-Bewegung hatten bereits das Urteil gegen Kelly gefeiert. Der Ex-Superstar sei „der Schlimmste“ der vielen Sexualstraftäter gewesen, die sie in ihrer Laufbahn verfolgt habe, hatte Frauenrechtsanwältin Gloria Allred, die mehrere Klägerinnen in dem Verfahren vertrat, gesagt. Er habe seine Berühmtheit dazu benutzt, Minderjährige zu missbrauchen, einzuschüchtern und zu demütigen.
Mit der Strafmaßverkündung in New York sind die juristischen Auseinandersetzungen für Kelly noch nicht vorbei: Auch in den US-Bundesstaaten Illinois und Minnesota liegen Anklagen gegen den Musiker vor. Ein Prozess in Chicago soll schon Mitte August beginnen.